Erfolgreicher Arzt – Erfolgreicher Apotheker im Jahr 2035?

Erfolgreicher Arzt – Erfolgreicher Apotheker im Jahr 2035?

Auch ohne den berühmten „Blick in die Glaskugel“, lässt sich schon heute feststellen, dass sich die Zukunftsaussichten in der Apothekenbranche massiv verändern werden – für die meisten nicht unbedingt zum Guten. Durch verschiedene demographische, wirtschaftliche, politische und vor allem technische Entwicklungen, die sich relativ zeitgleich abspielen kann man durchaus vorhersagen, dass die Branche bis ca. 2035 massive Veränderungen durchlaufen wird, welche auch zu einer hohen Zahl von Schließungen führen wird. Die Anzahl der deutschen öffentlichen Apotheken könnte sogar auf 12.000 bis 13.000 absinken. Diese Entwicklung wird auch das Tätigkeitsfeld der Ärzteschaft deutlich berühren. Wer also weiterhin erfolgreich sein will, sollte sich frühzeitig auf diese Entwicklungen einstellen.

In sozial benachteiligten Gebieten sind schon heute bereits 1.000 sog. `Gesundheitskioske´ geplant, welche viele medizinische Angebote übernehmen und die daher über Krankenkassenbeiträge finanziert werden sollen. In ähnlicher Form sind für den ländlichen Raum sog. Medizinische Versorgungszentren in der Diskussion, welche dann die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung (da dort durch die Überalterung auch die Ärzte knapp werden), mit einer von der Regelversorgung abgekoppelten Vergütung (z. B.  für die reine Vorhaltung von Leistungen) übernehmen und eine „irgendwie noch zu regelnde“ Arzneimittelabgabe vornehmen sollen. Aber nicht nur die ländlichen Regionen sind vom Strukturwandel betroffen – auch in den Städten führt ein verändertes Verbraucherverhalten immer öfter zur Schließung von teils sogar großen Einkaufszentren. Jedes Einkaufszentrum hat in der Regel eine eigene Apotheke, welche dann ebenfalls – meist – ersatzlos aufgegeben werden muss.

Unser gesamtes bisheriges Wissen über die Branchen kann sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren als völlig obsolet erweisen, wenn verschieden disruptive Trend zu etwas neuem kombiniert werden – und danach sieht es bereits aus. Spätestens seit den Erfolgen von Chat GPT sind die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) auch bei der breiten Öffentlichkeit angekommen. Kombiniert man KI mit der schon vorhandenen Apotheken-Software, den intelligenten Kommissionieren, den schon vorhandenen privatwirtschaftlichen großen Plattformen, dem E-Rezept, der Elektronischen Patientenakte und Amazon & Co., so kann das deutsche Gesundheitswesen viel Geld im Apothekensektor einsparen. Die von der Regierung angedachten Gesundheitsshops können dadurch kleiner ausfallen. Das Einsparpotenzial und die wirtschaftlichen Möglichkeiten der kapitalkräftigen Pharmagroßhändler legen nahe, dass es so kommen wird.

Jede Medikamentenpackung verfügt über zwei Bar-Codes, einen, der das Medikament inklusive seiner Dosierung genau kennzeichnet, und – erst seit wenigen Jahren – den zweiten Bar-Code, welcher das Ablaufdatum enthält. Beim Einlagern in den Kommissionierungsautomaten in der Vor-Ort-Apotheke werden schon von einigen Automatensystemen beide Codes erfasst.


In dem Moment, in dem sich das E-Rezept durchsetzt, ist es technisch möglich, das E-Rezept, direkt oder über eine angeschlossene Plattform, an eine Apotheke in der Nähe zu senden, deren  Warenwirtschaftssystem signalisiert, dass das gesuchte Medikament dort vorhanden ist. Grundsätzlich hat jeder Patient in Deutschland das Recht, seine Apotheke – genau wie seinen Arzt – selbst frei zu wählen, aber schon heute werden Patienten dazu „überredet“ dieses Wahlrecht zugunsten von Bonusprogrammen, finanziellen oder Beratungsvorteilen aufzugeben. Wenn also dann einer der wenigen in der ländlichen Fläche noch vorhandenen Landärzte das erste E-Rezept seines Patienten an eine bestimmte Apotheke seiner Wahl senden darf und das auch mit allen Folgerezepten tun darf – und wenn andere Fachärzte das ebenso machen, eventuell gesteuert durch Daten in der Elektronischen Patientenakte (ePA), dann kann die eine Prüfsoftware der Apotheke präventiv sofort erkennen, ob sich alle verordneten Medikamente miteinander vertragen oder es stattdessen zu gefährlichen Situationen kommen kann und so dem Arzt sofort eine Rückmeldung geben und sogar einen kompletten individuellen Medikationsplan für jeden Patienten erstellen. Außerdem kann das System durch sog. `Bundling´ anzeigen, bei welchem Anbieter aktuell die Summe der auf einem Rezept verordneten Medikament am günstigsten zu beziehen ist – alles handfeste Vorteile.

Wenn man nun noch dem Arzt wieder gestattet, denjenigen Patienten, welche eine Akutversorgung benötigen, eine Ein- oder Zweitagesdosis des benötigten Medikaments aus seinem Vorrat auszuhändigen, dann reicht es aus, wenn die eigentliche Medikamentenschachtel in ein oder zwei Tagen per Amazon, DHL etc. dem Patienten direkt nach Hause geliefert werden. Wenn es sich um ganz eilige Medikamente handelt, wäre ja auch eine Lösung analog Amazon Prime möglich, also die taggleiche Lieferung.

Für Patienten in Flächenstaaten in denen es immer weniger Apotheken geben wird, wäre das eine gute Hilfe. Im Hintergrund würde sich aber eine neue Organisation des Pharmahandels aufbauen. Anstelle der Übergabe der Medikamente an einen bei einer Apotheke angestellten Kurier, könnte der Versand gleich aus den Großlagern des Großhandels erfolgen – und dass, wenn dazu der rechtliche Rahmen angepasst würde, vollautomatisch. Den Daten des E-Rezept folgend, würde das wie ein Kommissionierungsautomat gesteuerte Großlager vollautomatisch das richtige Medikament mit ausreichender, aber auch nicht zu langer, Haltbarkeitsdauer – also für Patient und Händler optimiert – auslagern und versandfertig machen. Pharmazeutisch-technische oder Pharmazeutisch-kaufmännische Assistenten werden dafür nicht mehr benötigt – auch nicht mehr für das Einlagern der Packungen in das Lager, denn anhand der zwei Barcodes kann das die Maschine alleine.

Aus rechtlichen Gründen muss jede Medikamentenabgabe von einem approbierten Apotheker überwacht werden – nur in der praktischen Umsetzung bei Vollautomation würde das bedeuten, dass der Kontrolleur in Windeseile die auf einem Fließband an ihm vorbeilaufenden Medikamentenpackungen mit den ihm auf einem Bildschirm angezeigten Rezepten abgleichen müsste. Das ist unmöglich. Also könnte man stattdessen diese Aufgabe von zwei autonomen und sich gegenseitig kontrollierenden künstlichen Intelligenzen übernehmen lassen, um dieses Problem zu lösen. Wenn das so funktioniert – und die technischen Komponenten sind ja alle schon vorhanden und die KI lernt schnell – wer braucht dann noch eine Apotheke, oder Apotheker?

Es ist also durchaus zu befürchten, dass sich sobald der Gesetzgeber in Deutschland den Rahmen dafür schafft – was sicher aus durchaus auch guten Gründen länger als die rein technische Entwicklung dauern wird – ein großes Apothekensterben einsetzten wird. In den Städten werden sich große stadtteilzentrierte, kostenoptimierte Apotheken, als an den generellen Distributionsprozess angeschlossene und zudem noch Beratung anbietende Institutionen sicher noch länger halten können. Dies vor allem solange es noch viele, vor allem ältere Menschen gibt, die nicht völlig digital leben wollen, aber deren Lebensspanne ist auch nicht unendlich.

Die verbleibenden Apotheken, werden sich daher geänderte Geschäftsmodelle kombiniert mit einem breiten Service- und Zustellangebot, sowie eine andere Art des Marketing überlegen müssen, wenn sie überleben wollen. Dabei gibt es durchaus einen gewissen Kostenvorteil, der genutzt werden kann, denn wenn die Medikamentenzustellung nur stadtteilbezogen um die Apotheke herum vorgenommen wird, dann kann dies mit Fahrradkurieren auf 450-Euro-Basis erfolgen, die dann u. U. wiederum deutlich preiswerter sein können als Amazon und Co.

Jeder junge Apotheker, der heute eine Apotheke erwerben will, sollte diese Aspekte unbedingt bereits in seine Überlegungen mit einbeziehen. Jeder etablierte Apotheker muss sich überlegen, ob er diesen Veränderungsprozess – am aktuellen Standort – mittragen kann und will. Diese Aspekte aber schon heute quantitativ im Rahmen einer integrierten Planungsrechnung mit berücksichtigen zu wollen, stellt derzeit allerdings noch eine unlösbare Herausforderung dar. Und auch jeder Arzt muss für sich durchdenken, ob er die logistischen, technischen und menschlichen -anforderungen dieser Transformation in seinem Beruf so mitgestalten kann und will – und ob er das richtige Team dazu hat.

Wenn Sie für sich hier ehrlich „Inventur“ machen, werden Sie zu den richtigen Antworten gelangen und zu den Entscheidungen, welche für eine erfolgreiche Tätigkeit auch in der Zukunft notwendig sind.