Existenzgründung durch Praxiskauf - oder „drum prüfe, wer sich ewig bindet.“

Existenzgründung durch Praxiskauf – oder „drum prüfe, wer sich ewig bindet.“

Der Altarzt Dr. Meier *) hat seinen Renteneintritt vor Augen, das Haus ist abgezahlt, die Praxis schuldenfrei, d. h. er muss „nur noch“ sein Lebenswerk und seine ihm anvertrauten Patienten in jüngere Hände legen. Vor vielen Jahren hatte er dazu schon in einem benachbarten Stadtteil die Praxis eines älteren Kollegen gekauft und als überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) weitergeführt. Auf diesem Sitz hatte er eine jüngere Kollegin, Frau Dr. Schmidt, angestellt, die ja mal die Nachfolgerin werden sollte. Nur dass sich Dr. Schmidt dann ganz wohl als Angestellter gefühlt hat und daher hatte Dr. Meier sich nach einem neuen jungen Arzt umsehen müssen und Dr. Huber gefunden, den er noch ein paar Monate testen wollte und der nach dem Praxiskauf „das dann alles in nächsten Jahr weiterführen“ sollte. Eigentlich eine schöne Ausgangslage für eine Existenzgründung.

Als Vorbereitung zum Praxisverkauf hat Dr. Meier dann ein Informationsgespräch mit der Kassenärztlichen Vereinigung (= KV) geführt und bei seinem schon etwas älteren Steuerberater eine Wertermittlung für seine Praxis in Auftrag gegeben. So weit so gut – oder auch nicht! Inzwischen hatte Frau Dr. Schmidt, sich überlegt, dass sie nun doch keinen neuen dynamischen jungen „Chef“ wollte, sondern ihren Praxisteil stattdessen kurzfristig lieber selbst erwerben wollte. Das wurde dann intern kurzfristig so kommuniziert, was den jungen Käufer zunächst zwar ein wenig verärgert hat, aber im Grunde wollte er die „Filiale“ ja auch gar nicht, sondern nur den Hauptsitz. Dann kam die „Wertermittlung“ vom Steuerberater und der junge potenzielle Erwerber ging frohgemut zu seiner Bank, um die Finanzierung des Kaufpreises abzuklären.

Was folgte, war die große Ernüchterung und ein Gespräch mit allen Beteiligten. Mein Kommentar war: „Was hier passiert, ist zulassungs-rechtlicher, steuerrechtlicher und vor allem kaufmännischer Blindflug“! Anhand der vierteljährlichen Honorarabrechnungen von der KV habe ich – anders als der Steuerberater – die Abrechnungen für jeden Arzt in der Praxis separat und getrennt nach Haupt- und Nebenbetriebsstätte analysiert und festgestellt, dass an der Nebenbetriebsstätte nur rund ein Drittel des Gesamtumsatzes erzielt wurde. Durch den Verkauf von 50% der Sitze an Frau Dr. Schmidt, würde daher dem Hauptsitz zukünftig ein nicht unerheblicher Teil seines Abrechnungsvolumens entzogen, d. h. der junge Käufer könnte (wenn die KV das eng sehen sollte) durch die Deckelung weniger Patienten abrechnen als er behandelt.

Dies bedeutet, dass der Kaufpreis für Frau Dr. Schmidt vermutlich zu niedrig bemessen, der für Dr. Huber aber sicher zu hoch bemessen wurde. Aufgrund der verringerten Einnahmen ist er nicht finanzierbar – hier muss nachverhandelt werden. Der Steuerberater hat zugegeben, dass die Wert-ermittlung bei dieser Praxis schwer sei und hat dann vier verschiedene Verfahren und Berechnungen angestellt und am Ende das Mittel aus den vier so ermittelten Werten berechnet. Zwei der vier Verfahren waren für den Verkauf an sich nicht sachgerecht und die anderen Verfahren methodisch seit 2009 veraltet. (Die Ärztkammer-Methode wurde 2009 modifiziert und wird immer noch gerne genommen – die meisten vereidigten Sachverständigen für Praxisbewertung benutzen die sog. „Modifizierte Ertragswert-Methode“.) Hinzu kam auch noch, dass sich der Altarzt durch die zwei unterschiedlichen Verkaufstermine für seine Praxisteile steuerlich schlechter stellt, als wenn er zu einem Termin verkauft hätte, denn dann hätte er für alles den sog. „ermäßigten Steuersatz“ bekommen.

Und, hat jetzt die Einsicht gesiegt und hat man alles noch korrigiert? – Nein, denn am nächsten Tag war bereits der Besprechungstermin mit der KV angesetzt und Fr. Dr. Schmidt hat sich „auf die Hinterbeine gestellt“ und Dr. Meier deutlichst an seine übereilten „Versprechungen“ erinnert, so dass er nachgegeben hat und alles so eingeleitet wurde, wie es im Grunde nicht sein sollte – und das mit allen Konsequenzen. (Dabei hat schon Konrad Adenauer gesagt: „Sie können mich doch nicht daran hindern, jeden Tag klüger zu werden.“). Ganz klar, die Schuld an allem trägt jetzt der Banker! – Nebenbei sei noch bemerkt, dass der Altarzt, trotz Einschaltung eines Rechtsanwaltes, einen unbedingten Verzicht auf seinen Sitz ausgesprochen hat, d. h. er hat darauf verzichtet ohne seinerseits sicherzustellen, dass Fr. Dr. Schmidt den Erwerb des Sitzes leichter gemacht wird?

Wenn Sie also die Abgabe einer Praxis planen, dann fangen Sie mit den grundsätzlichen Themen  mindestens 3 besser 5 Jahre vorher an und nehmen sich Zeit für Beratungs- und Informationsgespräche – und zwar mit Personen, die sich damit auskennen! Erst wenn klar ist, was sie wollen, wird das (vertraglich) umgesetzt. – Und wenn Sie den Erwerb einer Praxis planen, dann suchen Sie sich einen Banker, der Sie dabei begleitet und Ihnen für alles, was er nicht selbst leisten kann oder darf (z. B. Steuer- und Rechtsberatung) mehr als einen Experten nennen kann und auch mit den Standesorganisationen gut vernetzt ist, z. B. um zulassungsrechtliche Fragen vorab klären zu lassen.

*) Alle Namen sind frei erfunden.