Arzt 4.0 - eGA, oder doch nur EKA oder EPA mal X ?

Arzt 4.0 – eGA, oder doch nur EKA oder EPA mal X ?

Viele sprechen von Arzt 4.0 – nur die technische Umsetzung hapert noch dramatisch. Von der elektronischen Gesundheitskarte bis hin zur elektronischen Patientenakte bleibt noch viel zu tun. Vor allem fehlt es an einer zügigen, vorher abgestimmten und gemeinsamen Umsetzung – v. a. fehlt es am Grundlegenden, den gemeinsamen Standards für Hard- und Software!

 

„Digitalisierung bedeutet Vernetzung“

„Digitalisierung heißt Vernetzung“, so steht es zum Beispiel in der 12-Punkte-Strategie der CDU. Punkt 1 behandelt den „selbstbestimmten Patienten“, den auf Basis eines E-Health-Gesetzes im Rahmen seines Rechts zur informationellen Selbstbestimmung auf seine Gesundheitsdaten im Internet zugreifen können soll. Punkt 3 hat die „Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen“ zum Ziel, um nicht weiter Zeit zu verschenken und  mithilfe der datengestützten Medizin die hohe Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitssystem zu erhalten bzw. weiter zu steigern. Es wurde erkannt, das dazu ein einheitlicher und verbindlicher Standard geschaffen werden muss, auf dessen Basis alle IT-Systeme miteinander kommunizieren können (Punkt 9 „Interoperabilität“) und dass der bürokratische Aufwand und damit die hohen Kosten in einem 5-Jahreszeitraum deutlich gesenkt werden muss (Punkt 10).

 

Die aktuelle Lage

Wie sieht es hier denn aktuell aus? In Deutschland bestehen heute schon, zumindest zum Teil, viele unterschiedliche und dabei auch noch unterschiedlich strukturierte Elektronische Patientenakten (EPA) bei Ärzten und Kliniken parallel nebeneinander. Daneben gibt es innerhalb von Kliniken und v. a. auch Praxisnetzen noch Elektronische Krankenakten (EKA), die entweder nur für das einzelne Krankenhaus oder aber,   z. B. in Netzen, zumindest teilweise institutionsübergreifend verwendbar sind.

In den USA dagegen haben z. B. die 127 Veteran´s Hospitals ein identisch strukturiertes System mit einer Elektronischen Patientenakte mit der alle angeschlossenen Ärzte und Kliniken verpflichtend arbeiten müssen, die alle Informationen und Befunde des jeweiligen Patienten enthält und die eine voll funktionsfähige Schnittstelle zum Abrechungssystem aufweist. Selbstverständlich können auch die Verteran´s Hospitals im Ausland, bei Auslandsreisen des Patienten, darauf zugreifen.

 

Die Idee der Elektronischen Gesundheitsakte

In unserem föderal geprägten Land gibt es hingegen die Idee der Einführung einer Elektronische Gesundheitsakte (EGA). Diese soll die übergeordnete Instanz aller Elektronischen Patienten- und Krankenakten aller Leistungserbringer eines Patienten bilden und diese integrieren. Sie stellt somit dann eine digitale Sammlung aller medizinischen Daten eines Patienten dar – und dies lebenslang und von Ort und Zeit unabhängig. Auf diese Daten können alle am Behandlungsprozess Beteiligten bedarfsgerecht zugreifen – auch der Patient.

Bei der EGA soll aber dann der Patient die alleinige Verfügungsgewalt über seine Akte und damit über seine medizinischen Daten haben. D. h. er alleine entscheidet, wer welche Daten in seiner Akte speichern, ändern, einsehen oder nutzen darf. Das ist allerdings ein Aspekt, bei dem sich wohl doch viele Patienten ein wenig überfordert fühlen werden. Hier muss zu Ihrem Schutz eine gewisse Hilfestellung eingeplant werden. Letztlich werden sich die meisten Patienten dann doch wieder auf ihren Hausarzt verlassen – was wiederum die Idee der integrierten Versorgung und der Netzte stützen würde. Die „freie Arztwahl“ könnte durch die Technik dann allerdings eingeschränkt werden.

Diese Art EGA wird von unterschiedlichen Anbietern bereits seit dem Jahr 2000 angeboten. Eine weite Verbreitung wird aber wohl ganz entscheidend von der geplanten verbesserten Einsetzbarkeit der in 2007 an den Start gegangenen elektronischen Gesundheitskarte (eGK) abhängen. Seit Ihrer Einführung sind wir da noch nicht viel weiter vorangekommen, die Karte „kennt“ bisher nur die Versichertenstammdaten des Patienten und seine Krankenkasse. Wir sind hier bisher kaum über die Vorpilotphase hinausgekommen. Von den nun geplanten 500 Erprobungspraxen in der Testregion Nordwest waren bis Ende Januar 2017 gerade einmal 175 erfolgreich dem System angeschlossen. Da bleibt noch sehr viel zu tun, für Politik, Ärzteschaft, Gematik und Gesellschaft allgemein. Die Deutsche Ärztezeitung berichtete dazu Ende April 2017, dass ganz aktuell die Ausgabe der Konnektoren und Kartenlesegeräte stocke (die schon vorhandenen müssen nochmals ausgetauscht werden), denn es fehle die endgültige technische Spezifikation, die die Betreibergesellschaft Gematik noch festlegen muss. Ob also der geplante bundesweite Rollout bis zum Sommer 2018 wirklich erfolgen wird, sei mehr als fraglich – realistischer erschiene Fachleutenden ein Zeitraum von 2 – 3 Jahren. Umgekehrt sollte ja aufgrund des E-Health-Gesetzes allen Ärzten, die bis zum Sommer 2018 nicht mit ihrer Praxis am Online-Rollout teilnehmen, das Budget gekürzt werden. Da wird man dann wohl mittels einer Verordnung eine Verschiebung vornehmen müssen.

Die elektronische Kranken- oder Patientenakte

Ein Teil der Ärzteschaft ist seit dem Ärztetag 2007  hier inzwischen andere Wege gegangen: Die praktischen Erfahrungen, z. B. aus dem Hausarztnetz in Hof oder Hamburg Eppenreuth zeigen ganz deutlich, dass vielen Kranken mit einer Elektronischen Krankenakte deutlich schneller geholfen werden kann, Rückfragen vermieden werden und Doppelbehandlungen wegfallen. Im Extremfall kann so eine Akte sogar Leben retten! – Wichtig ist, dass jeder beteiligte Arzt nur den Teil der Daten einsehen kann, der für seinen konkreten Behandlungsauftrag relevant ist! Auch das Ärzteblatt stellt fest, dass seit 2012 vor allem die Ärztenetze die wirklichen Treiber beim Thema `EPA´ sind!

Und es bleibt noch ein weiterer positiver Aspekt festzuhalten: Die stete „Kostenexplosion“ im Gesundheitswesen könnte mittels flächendeckender Einführung einer EPA zumindest eingedämmt werden, denn Doppeluntersuchungen fielen weg, Behandlungsmethoden könnten optimiert werden und Behandlungszeiten würden reduziert.

Trotzdem herrsch hier noch viel Angst und Unsicherheit bei Patienten und Datenschützern. Deutsche Patienten – und viele, v. a. ältere, Ärzte – lieben einfach ihre Patientenakten in Papierform. – Sicher kennen Sie hier auch ganz viele Stories über „verschwundene Daten“, defekte Festplatten oder vergessene Datensicherungen? Ja, alle Systeme folgen dem SiSo-Prinzip *), aber das muss ja nicht unbedingt so sein. Ferner bleibt festzuhalten, dass es sicher auch keinen permanenten Schutz vor Hacker-Angriffen gibt – vor 2 Jahren wurde z. B. die Datenbank mit allen Patientenakten der Veteran´s Hospitals gehackt. Trotzdem überwiegen hier die Vorteile des Systems ganz eindeutig.

 

Wearables & Health-Tracking

Insgesamt können wir festhalten, dass sich die „digitale Medizin“ noch in einem relativ frühen Stadium befindet, aber das wird sich in den nächsten 3  – 5 Jahren ganz erheblich ändern. Haupttreiber ist dabei die Medizin-Industrie rund um die Ärzte herum. Nach einer aktuellen Studie der Berenberg Bank wird davon unter anderem der Markt für tragbare Geräte zur Messung von biometrischen Daten profitieren. Die sog. Wearables können Patienten nicht nur an die Einnahme von Medikamenten erinnern oder ihnen bei der Veränderung von Lebensgewohnheiten helfen, sie könnten auch bei der permanenten Überwachung z. B. von Blutdruck und Herzfrequenz helfen und diese Daten automatisch an Arzt oder Krankenhaus über-mitteln. Dann brauchen wir dort aber wieder eine Elektronische Patientenakte, um diese Daten speichern und analysieren zu können und so u. U. umgehend eine Handlungskette auslösen zu können.

Beim schon heute üblichen sog. „Health-Tracking“ stellen wir fest, dass 18% aller Deutschen freiwillig eigene Gesundheitsdaten über Fitness-armbänder und Apps „ins Netz gestellt haben“. Die junge Generation geht mit Ihren Daten vergleichsweise eher sorglos um. Nach einer Studie des Datenschutzbeauftragten aus 2014 können sich zwar noch 39% der Deutschen nicht vorstellen gesundheitsbezogene Daten zu messen und mit ihrer Krankenkasse zu teilen, aber bereits 32% aller Deutschen wären grundsätzlich bereit dazu.

Überzogene Datenschutzbedenken blockieren eine längst überfällige Modernisierung – wir sind hier typisch Deutsch: 100% oder gar nichts! Natürlich gilt es wirksame Schutzmechanismen zu etablieren, denn die EPA enthält äußerst sensible Daten, die nicht jedermann zugänglich sein und nicht manipuliert werden dürfen. Außerdem muss auch ein Schutz vor ungerechtfertigter wirtschaftlicher Ausbeutung dieser Daten, durch rein an Umsatzsteigerungen interessierte Leistungserbringer, eingebaut werden. Umgekehrt hat sich z.B. die BARMER im letzten Jahr durchaus für die Einführung einer EPA, als „Königsdisziplin unter den E-Health-Anwendungen“ – ausgesprochen und dargestellt, wie weit hier andere Länder bereits sind: Estland mit seiner nationalen zentralen Patientenakte gilt dabei als Paradebeispiel in Europa.

 

To Dos für die Ärzteschaft

Als vorläufiges Fazit der aktuellen Gesamtsituation gilt es also für die Ärzte, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen und hier aufgrund einer wohlüberlegten Strategie tätig zu werden – im Interesse der Patienten und der Ärzte selbst. Modulare Lösungen liegen bereits für Kranken-häuser vor, Ärztenetze nehmen Vorreiterrollen ein, ambulante Pflegedienste nutzen selbst programmierte Apps anstelle eines Lesestifts, um ihre Tätigkeiten zu dokumentieren und für die Abrechnung vorzubereiten. Ideal wäre es natürlich, wenn diese Insellösungen später überregional zusammenpassen würden – was im Grunde aber bedeuten würde, dass man sich vorher über die Mindeststandards abstimmen müsste.  Es gibt aber in anderen Branchen schon gute Übertragungsprogramme, die dieses Problem lösen können (Roche hat so eines aktuell in der Anwendung.) – Und wenn es dann noch eine Schnittstelle zur Abrechnungssoftware gäbe, könnte man sogar noch Synergie-Effekte heben. Jeder Mediziner der noch mehr als fünf Jahre praktizieren will, sollte sich mit anderen zusammenschließen und dann hier wie ein Start-up-Unternehmen handeln, welches lieber einmal schnell mit einer Vor-Serie an den Start geht und dann bei Bedarf nachbessert, als wie das Kaninchen vor der digitalen Schlange sitzen zu bleiben. – Arzt 4.0, denn langfristig lässt sich die Digitalisierung im Gesundheitsmarkt nicht aufhalten.

*) „SiSo = Shit-in-shit-out!“