Arzt und Finanzierung: „Das Ziel ist, den Kunden lebenslang in der Verschuldung zu halten.“

Arzt und Finanzierung: „Das Ziel ist, den Kunden lebenslang in der Verschuldung zu halten.“

Sie sind Arzt und wollen eine neue Finanzierung für Ihre Praxis? Kennen Sie dann diese Aussage: „Es gibt gute Zinsen, Herr Doktor, und schlechte Zinsen.“ – „Die guten Zinsen, das sind die für Ihren Praxiskredit – und die müssen wir Ihnen wegen der Steuer möglichst lange erhalten – die schlechten, das sind die für die Finanzierung Ihres Privathauses – und da müssen wir dann schnell tilgen!“

So wird es dann oft auch gemacht. Eine Praxisfinanzierung auf 12 oder 15 Jahre – und mindestens ein Praxisdarlehen gekoppelt mit einer Versicherung (meist auch noch einer fondsgebundenen Rentenversicherung mit ungewisser Wertentwicklung)! Und wenn dann beim Existenzgründer nach 3 – 5 Jahren die Finanzierung des Privathauses ansteht, dann wird fast alles Guthaben aus der Rentenversicherung rausgezogen und als Eigenmittel für das Haus eingesetzt – obwohl die Versicherung ja eigentlich als Tilgungsersatz für den Praxiskredit dienen sollte. Der Hauskredit wird dann auch wirklich zügig getilgt, das zinsgünstige öffentlich-geförderte Praxisdarlehen läuft einfach tilgungsfrei weiter. Es läuft dann nach 15 Jahren aus und kann nicht getilgt werden. Dann wird es natürlich, wie versprochen, großzügig in ein hauseigenes (meist – leicht – teureres) Bankdarlehen umgeschuldet – wieder ohne laufende Tilgung! Wenn dann das Haus abbezahlt ist, wird die Besparung der Rentenversicherung wieder aufgenommen – allerdings ohne Beitragserhöhung, da ja immer noch der ursprüngliche Vertrag gilt aus der Zeit, da der Arzt noch jünger und noch gesünder war.

 

Ach ja, „aus steuerlichen Gründen macht es natürlich ganz viel Sinn, den Rentenversicherungsvertrag (nach dem seit 01.01.205 geltenden Steuerrecht) erst zum 67. Lebensjahr zufließen zu lassen, denn dann bleibt die Hälfte des Wertzuwachses auch noch steuerfrei!“ Natürlich muss das Praxisgründungsdarlehen, welches ja ohne laufende Tilgung ist, dann nochmals bis zum 67. Lebensjahr des Praxisinhabers verlängert werden – Sie wissen schon, das mit „den guten Zinsen“. Ein bekannter Steuerberater, der viele Mediziner betreut, sagte mir dazu, in all diesen Fällen sei es „das Ziel dieser Bank, den Kunden lebenslang in der Verschuldung zu halten“.

 

Also, wo liegt hier der Denkfehler?

Nachdem Ihr Steuersatz nun einmal nicht 100% beträgt, sondern im Schnitt „nur“ rd. 40%, bekommen Sie auch nicht 100% Ihrer Zinsen vom Staat wieder, sondern von z. B. € 10.000,- Schuldzinsen pro Jahr auch nur maximal. € 4.000,-. Und woher kommen die anderen € 6.000,-? Ganz klar, aus Ihrem versteuerten Gewinn! Das bedeutet, dass Sie jedes Jahr erst einmal brutto € 14.000,- verdienen müssen, um Ihre Zinsen bezahlen können (die Abzüge für die gewinnabhängige Ärzteversorgung sind dabei noch gar nicht berücksichtigt!) – auch „gute Zinsen“ kosten Sie bares Geld!

 

Bei einer normalen Existenzgründung eines 33-jährigen mit € 250.000,- mit einer normalen Finanzierungsdauer von maximal 10 Jahren und regelmäßiger Tilgung zahlen Sie über die gesamte Laufzeit € 12.500,- an Zinsen (rd. € 5.000,- bekommen Sie davon über die Steuer zurück). Finanzieren Sie hingegen wie oben beschrieben, mit den „guten Zinsen“ bis zum 67. Lebensjahr, dann bezahlen Sie (bei aktuell nominal 1,0% p.a. Zins und im Anschluss mit angenommen 4,0% p.a. gerechnet) für die ersten 10 Jahre € 25.000,- Zinsen an die Bank und bis zum 67. Lebensjahr insgesamt dann € 85.000,- („natürlich bekommen Sie davon € 34.000,- über die Einkommensteuer retour“)!

 

Dann kommt aber noch das Argument: „Dagegen müssen Sie natürlich die Kursgewinne aus der Fonds in Ihrer fondsgebundenen Renten-versicherung gegenrechnen“, welche als Tilgungsersatz dient und die Ihnen Ihr wohlwollender Bankberater verkauft hat (wobei er bei einigen Instituten einen großen Teil der nicht unerheblichen Abschlussprovision als Zusatzvergütung bekommen hat).

 

Diese Rentenversicherung wurde mit einer jährlichen Wertsteigerung von rd. 6 % p. a. gerechnet (welche wir seit 2008 i. d. R. nicht mehr hatten), plus 10%Kurs -Risikozuschlag und so, dass Sie nach der Mindestlaufzeit von 12 Jahren vielleicht doch Ihr Darlehen hätten tilgen können. Bei dieser frühen Fälligkeit fallen 25 % Kapitalertragsteuer (+ Soli) auf den gesamten Wertzuwachs an, so dass diese 25 % bei der Vertragssumme zu einem weiteren Zuschlag geführt haben. – Und da man Ihnen gesagt hat, dass Sie „natürlich diese Steuerbelastung nicht tragen wollen“, wurde der Vertrag auf das 67. Lebensjahr abgeschlossen, da ist dann nur noch die Hälfte des Wertzuwachses zu versteuern und „da bleibt dann sogar noch ein schöner Betrag als zusätzliche Altersversorgung für Sie übrig“. – Auf diese Weise ist die Vertragssumme auf mehrere hunderttausend Euro angewachsen (und die Abschlussprovision für den Vertrieb auf deutlich über € 10.000,-!). Merken Sie was?

PS: In den letzten rd. 10 – 15 Jahren hat übrigens keine Versicherung mehr die in Aussicht gestellte Ablaufleistung erreicht, d. h. am Ende der
Versicherung blieben immer noch Schulden übrig!